Nach rund zwei Tagen zu behaupten, man kennt Land und Leute ist durchaus verwegen. Jedoch Venezuela ist das einzige Land, wenn ich meine Route gegenüber anderen Reisenden ansprach, am widersprüchlichsten in Erscheinung trat. Zu unterscheiden sind sicherlich die jeweils persönlichen Erlebnisse, die darauf bauenden Meinungen und die davor schon vorhandenen Vorurteile und wie sich das Land gegen aussen und innen gibt und verhält. Auf eine politische Diskussion soll an dieser Stelle verzichtet werden und ich möchte den Fokus auf die Geschichten anderer Reisenden und dann eine eigenen Erlebnisse legen.
Wie erwähnt, erhielt ich über Venezuela die unterschiedlichsten Erzählungen persönlicher Erlebnisse. Leider waren alle etwas oder stark negativ geprägt. Eine handelt von der Reise eines Iren: Er kam von Santa Maria in Kolumbien über Maracaibo nach Caraces und weiter nach Süden via Ciudad Bolivar und Santa Helena, dann via Boa Vista nach Georgetown, wo ich ihn im Guesthouse traf. Ich würde auch diese Strecke in der umgekehrten Richtung machen.
Ich muss vorausschicken, dass er mir sehr, sehr irisch vorkam; neben dem Dialekt besass er dass passende finstere Gesicht mit einem äusserst kurzen Haarschnitt, er sprach jedoch spanisch (im Gegensatz zu den Meisten von den Inseln). Für die Durchfahrt von Venezuela benötigte er gerade mal eine Woche, dies weil er so schnell wie möglich wieder aus dem Land heraus wollte. Auf dieser Durchquerung wurde der Bus ca. 30 Mal von der Polizei oder dem Militär angehalten und durchsucht, einmal musste er sich sogar ganz ausziehen dreimal den Offiziellen schmieren. Er sagte auch, dass die Einheimischen ebenso schikaniert wurden. Bei einem Monatslohn von 200US$ seien sie auf entsprechende Präsente angewiesen.
Exempel 1:Wenn man venezolanisches Geld auf sich trägt, muss man den Offiziellen -mit der Pistole an der Seite oder umgehängtem Gewehr- beweisen, dass man es nicht auf dem Schwarzmarkt gewechselt hat. Der Beweis wäre z.B. eine Quittung eines Bezuges am Geldautomaten über einen grösseren Betrag als man auf sich trägt. Hat man mehr auf Mann oder keine Quittung wird der Vorwurf laut dass die Differenz zum Betrag auf der Quittung oder der gesamte Betrag illegal gewechselt wurde. Man ist also in Beweisnot. (Andererseits kann ich mir kaum vorstellen, dass alle Venezolaner dies konstant beweisen können, irgendwie kann dass ja auch nicht sein. Item, der Ire erlebte es so). Somit wird einem das illegale Geld -ohne Quittung- abgenommen oder man macht dem Offiziellen ein Präsent.
Zur Erklärung sie hier angefügt: Zur Zeit (November 11) erhält man zum offiziellen Kurz 2.15 Bolivar pro US-Dollar. Für (von der Regierung) ausgesuchte Waren kommt ein Kurs von 4.3 Bolivar pro Dollar zum Einsatz. Wechselt man auf dem Schwarzmarkt erhält man 8.0 Bolivar pro Dollar. Die Busfahrt mit dem Nachtbus von Santa Helena nach Ciudad Bolivar kostet 125 Bolivar, also entweder ca. 15US$, 30US$ oder 63US$. Vergleicht man die Preise (z.B. für eine Büchse Soda, ein Nachtessen oder eine Taxifahrt) mit den umliegenden Ländern, entspricht der illegale Wechselkurz am ehesten der Realität.
Exempel 2: Während der Durchsuchungen kann es vorkommen dass -während man mit dem ersten Offiziellen redet- ein zweiter Offizieller ein Tütchen Drogen in den Rucksack steckt und wenn man nicht ein Präsent gibt, dieses eben gefunden wird. Die Wahl ist dann einfach.
Ein merkwürdiger Usaner erzählte mir jedoch bevor ich in Venezuela einreiste, dass die Strassensperren vorwiegend Busse aus Kolumbien in die Richtung Brasilien nach Drogen durchsuchten. Dies mochte wohl so sein, ich sah der Fahrt von Santa Helena nach Ciudad Bolivar dennoch nicht optimistisch entgegen. Dieser Abschnitt entspricht ca. einem Drittel der gesamten oben erwähnten Strecke, also wahrscheinlich zehn Kontrollen - im Nachtbus. Das wird ja ein erholsamer Schlaf, als ob ein Nachtbus an sich schon für einen angenehmen Schlaf sorgen würde.
Ich bin inzwischen in Ciudad Bolivar angekommen und befinde mich in der Pousada La Casita (www.gekkotours-venezuela.de (Ja, wird von zwei Deutschen geführt)). Etwas ausserhalb vom der Stadt selbst gelegen, haben sich die beiden ein sehr schönes Plätzchen geschaffen. Einzig die Webseite bedürfte eines Updates, der Pavillon für die Hängematten ist letztes Jahr abgefackelt. Das Gratisabholen vom Busbahnhof ist ein guter Service und sollte noch positiv erwähnt werden. Neben dem Pool -an dem und in dem ich den ganzen Tag verbrachte- befinden sich noch ein Gehege mit verschiedenen Tieren darin (Schildkröten, Agouti, Affen und Papageien).
Vorgestern am Mittag verliess ich Boa Vista. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit den zu absolvierenden Vorbereitungen den 12 Uhr Bus nach Paracaima (an der Grenze Venezuela) erwischen würde, so hatte ich zwei Tage zuvor bei Ankunft in Boa Vista das Ticket bewusst nicht gekauft. Was musste ich denn erledigen? Ich bin gegen 6:30 aufgewacht und habe kurz darauf gefrühstückt. Eine Dreiviertelstunde nach dem Aufstehen machte ich mich auf den Weg zur venozelanischen Botschaft, ein paar Blocks weiter. Diese hat von 8-12 Uhr geöffnet und da es mir am Vortag nicht möglich war, dort reinzuschauen, musste dies heute sein. Und man nie weiss wie viele andere Leute anstehen, wollte ich frühzeitig dort sein. Um Viertel nach acht wurde mir dann der Einlass gewährt, niemand anderes wartete. Ich klärte mit der Dame am Schalter, ob ich denn eine Touristenkarte benötige und wo ich diese dann erhalten würde. Die Informationen, die ich diesbezüglich am Vortag im Internet auf verschiedenen Seiten fand, waren ebenso verschieden. Also besser aus erster Hand und nicht an der Grenze auf die Schnauze fallen. Sie schaute kurz in den Pass, dann auf eine Liste und sagte mir, dass ich die Touristenkarte am Zoll erhalte und gab ihn mir zurück. Um 8:20 war ich wieder draussen. Als nächstes benötigte ich Geld. US-Dollars sind am besten, da ist der Kurs gegenüber dem Bolivar klar (yeah-right!!). Geld erhält man bekanntlich auf der Bank, und da Bradesco die einzige Bank war, bei der tags zuvor meine Karte akzeptiert wurde, ging ich dorthin. Im Warteraum der Bank sassen schon viele Kunden und ich zog einen dieser Zettel für Geldtransaktionen. Das Übel, dass uns Schweizern in den Poststellen -durch Optimierungen- beschert ist, gilt hier als normal und das Warten auf einen freien Schalter als Selbstverständlichkeit. Als ich dann an der Reihe war und klar machen konnte, was ich denn wolle, teilte mir die freundliche Dame mit, dass sie keine Dollars haben und auch nicht wechseln können sowie keine Travellerchecks ausstellen. Andere Länder, andere Sitten.
Da ich beim Herumlaufen am vorherigen Tage eine Wechselstube sah, war die Alternative klar. Ich bezog am Bankomaten ein grössere Summe, lief zur Wechselstube und erhielt die Banknoten. Die restlichen Reais würde ich an der Grenze selbst wechseln, ich benötigte ja noch ein Ticket und was zu Futtern. Trotz des Wartens in der Bank war ich noch vor 10 Uhr im Hotel zurück. Ich checkte aus, nahm ein vor dem Hotel wartendes Taxi und fuhr zum Busbahnhof. Als erstes kaufte ich das Ticket und setzte mich dann in der Halle an einen Tisch vor einem Imbiss. Das voraussichtlich für lange Zeit letzte Mal zwei der frittierten Teigtaschen namens Coxinha mit Ketchup und Mayo zu essen und ein brasilianisches Fanta Traube (wäre schön, gäbe das in CH) zu trinken.
Meine Gedanken waren in Venezuela, wie würde das wohl werden? Da ich schon einiges hinter meinen Zeitplan bin, hatte ich ja schon vor Tagen den Gedanken, Venezuela auf das Minimum zu kürzen, die Geschichten der anderen unterstrichen dies etwas. Andererseits will ich dennoch dorthin, um selbst zu sehen und meine Meinung zu bilden. Und wenn man vor Neuem Angst hat, sollte man nicht vor die Tür gehen, geschweige denn in ein fernes Land reisen.
Eine halbe Stunde vor Abfahrt trat dann der besagte Usaner an mich heran und gab neben seinen Erlebnissen in Venezuela auch noch seine Einschätzung über die Welt und anderes als Sermon zum Besten. Leicht extrovertiert, der Mensch. Als er dann sagte, er wäre Lehrer, wurde mir einiges klar (die haben immer Recht, oder einen Lösungsordner). Was mich jedoch erstaunte, war, dass er reiste, und das nicht zum ersten Mal. Er wäre schon sieben Mal hier unten unterwegs, sagte er. Der aufgedoppelte Pass unterstrich das. Nichtsdestotrotz, ein unhöflicher Zeitgenosse, was sich bis nach Santa Helena vermehrt zeigen sollte.
Nach einer pünktlichen Abfahrt (wirklich!) ging es die Ebene hoch in den Norden von Brasilien. Es zeigten sich die ersten Erhebungen, eine äusserst interessante Strecke. In Paracaima angekommen, prüften wir den Wechselkurs von Reais zum Bolivar, liessen den Wechsler dann jedoch stehen und fragten den Taxifahrer für den Preis bis nach Santa Helena, welches doch ca. 15 km hinter der Grenze lag. Als der Preis dann klar war, liessen wir diesen ebenfalls stehen und gingen ich zu Fuss bis zur Grenze. Der Usaner ging in forschem Schritt voran und wartet sozusagen nicht auf mich. War mir recht so, ich wollte eh nicht so direkt zusammen mit dem Typ beim Grenzposten ankommen, sonst halten die mich auch für einen Usaner. Das Ausstempeln am brasilianischen Zoll war (für mich) eine kurze Sache. Nach zehn Minuten Fussmarsch (ich zehn, die Type war wohl nach neun Minuten schon dort) erreichte ich den venezolanischen Zoll und (ich) erhielt innert kürzester Zeit den Einreisestempel von der (mir gegenüber netten) Dame. (Ich geniesse das etwas, das mit dem Klammern und dem Usaner- merkt man, oder?). Ich fragte dann noch nach der Touristenkarte und sie meinte nur, ich benötige keine. ?? Naja. Nach der Grenze hielten wir ein Taxi an fuhren nach Santa Helena und wurden bis vor die Pousada Michelle gefahren. Wir bezahlten in Reais und der Usaner lief ohne ein Wort des Abschiedes davon, er wollte nur schnell Geld wechseln und noch am gleichen Abend den Bus nach Ciudad Bolivar nehmen.
Ich wollte einen Tag hier bleiben und checkte in der Pousada ein. Nachdem ich das Zimmer bezogen hatte, ging ich zum Hauptplatz und schaute für einen Geldwechsler. Es gibt etwas drei Orte in Venezuela, in denen das illegale Geldwechseln geduldet wird. So wurde ich zu einem besseren als dem offiziellen Kurs meine letzten brasilianischen Reais los und erhielt das lokale Spielgeld. Nach dem ich das Hostel bezahlt habe, ging ich zurück ins Zentrum und ass ein paar Nudeln zu Abend. Da es viel zuviel war, nahm ich diese mit und hatte für den nächsten Tag sogleich mein Frühstück. Ich verbrachte einen gemütlichen Tag in dem hektischen Grenzstädtchen, bevor ich gegen 16h meine Sachen zusammenpackte und mich an die nächste Ecke stellte. Nach ein paar Minuten tauchte auch schon das erste Taxi auf und nach kurzen Preisverhandlungen wurde ich in einem ziemlich heruntergekommen Chevy -oder so- zum Busbahnhof gefahren. In Venezuela- so wie es scheint- kann man das Busticket erst am Abfahrtstag kaufen; so war ich als rund drei Stunden zu früh, mit dem Risiko, dass es keine Tickets mehr für dem 19 Uhr Bus hatte. Ich ergatterte den letzten Platz auf dem Oberdeck, in der letzten Reihe. Jetzt hiess es warten. Wenigstens hatte es einen Imbiss und ich konnte ein paar frittierte Käsetaschen essen und ein Malzgetränk (kein Bier) trinken. Ich hatte dunkel in Erinnerung (gesagt bekommen), dass die venezolanischen Bus eher Tiefkühltruhen glichen. Also: better safe than sorry oder besser warm statt kalt, zog ich die Wanderschuhe an und schnallte die Hängematte ab um sie als Handgepäck mitzunehmen und als Decke zu nutzen. In relativ geordneter Weise wurde dann das Gepäck eingeladen und die Plätze bezogen. Die Sitzlehnen konnten richtig weit runter gelassen werden, somit erklärten sich auch die gerade mal zwölf Reihen auf dem Oberdeck.
Die Fahrt verlief entgegen meinen Befürchtungen richtig angenehm. Der Bus wurde nur zwei Mal und das zu Beginn der Reise bei Kontrollposten gestoppt und nur ein paar vereinzelte Personen mussten ihre Identitätskarten zeigen oder aussteigen. Ich wurde kein einziges Mal um Identifikation gebeten und um 6:30 Uhr erreihten wir Ciudad Bolivar. Die Gepäckträger und Taxifahrer scheinen mir hier auch nicht so aggressiv, sie drehen sofort ab wenn man “no” sagt. Obwohl ich alleine im Busbahnhof darauf wartete, abgeholt zu werden, fühlte ich mich nicht unsicher oder anders bedroht. Auf jeden Fall sind die Leute einiges höflicher als in Guyana -gut, das ist schwierig zu schlagen- und (zumindest einer) vertrauensselig. Ich hatte zwar die Nummer der Pousada, jedoch kein Telefon, resp. wollte meines nicht hervorkramen, also fragte ich einen Herrn, der einen Telefonierservice anbot (kleines Tischchen mit Mobiltelefonen für einen Anruf, Kosten nach Dauer, Super Businessmodell hier) und machte den Anruf. Die anschliessende Abrechnung kam auf 3 Bolivar, ich hatte jedoch nur einen Fünfer und er kein Wechselgeld. So sagte er mir ich solle später bezahlen. Also ging ich und trank irgendwo einen Kaffee und wechselte klein, ging nach zehn Minuten zurück und bezahlte. Er nickte nur und alles war in Ordnung. Ich hätte ja einfach davon laufen können.
Anschliessend ging ich zum vereinbarten Treffpunkt und wurde kurz darauf auch schon abgeholt. Den Sonntag verbrachte ich mit frühstücken, am Pool hängen, eine anderes Buch aus dem Buchwechselschrank zu beginnen und den morgigen, dreitägigen Ausflug zum Salto Angel abzuwarten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen